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[Gedanken über…] Neuanfänge und was daran so schwer ist

Eulenpost(s): [Gedanken über…] Neuanfänge und was daran so schwer ist

Samstag, 31. Mai 2014

[Gedanken über…] Neuanfänge und was daran so schwer ist

Der Umzug von Stuttgart nach Ulm war der 15. Umzug meines Lebens und der fünfte, seit ich von zu Hause ausgezogen bin. Der zweite, seit ich das Studium beendet habe und quasi alleine bin.
Nein, ich bin nicht allein. Ich habe eine wundervolle Familie, einen Traummann und ein paar Hand verlesene tolle Freunde. Aber: diese wohnen seit Studiumende nicht mehr in unmittelbarer Nähe. Keiner von ihnen.

Dabei denke ich vor allem an meine Familie und meine Freunde. Mein Freund und ich haben noch nie in der gleichen Stadt gewohnt. Das zählt also nicht. Aber während des Studiums traf ich mich täglich mit einer sehr guten Freundin, sah fast täglich gute Bekannte und Freunde im Studium und Nebenjob. Und ich kannte und liebte die Stadt. Ich wusste, was ich tun konnte, wo ich hingehen konnte. Ich konnte immer jemanden anrufen, mich mit ihm treffen und dann unternahmen wir etwas zusammen.

Dann bekam ich meinen ersten richtigen Job und ich zog um. In ein kleines Dorf nahe Stuttgart. Meine Wohnung fand ich schön, im Job fühlte ich mich wohl. Aber: nun war ich alleine. Keiner mehr da, den ich spontan anrufen konnte. Im Job waren nur nette Leute, mit denen ich mich gut verstand, aber nur eine in meiner Altersklasse und die wohnte einige Kilometer weit weg. Daher beschränkte sich der Kontakt auf die Arbeit. In meinem kleinen Dorf fand man nur Anschluss, wenn man einem Verein beitrat, vorzugsweise für Karneval. Nicht mein Fall, also blieb ich allein.
Am Anfang machte mir das nichts aus. Aber nach etwa neun Monaten fehlte mir etwas… da stand auch schon der nächste Umzug an.

Nun bin ich in einer neuen Stadt, neues Büro und zum Teil neue Kollegen. Die Stadt hat sehr hässliche, aber auch ein paar schöne Ecken. Das Büro ist nett und die Kollegen voll in Ordnung. Einen Absacker haben wir auch schon miteinander getrunken. Aber die meisten leben hier schon Jahre oder Jahrzehnte. Haben Familie gegründet, Freundeskreise etc.. Und ich?

Ich bin ein netter Mensch. Auch wenn ich gerne mal das Gegenteil behaupte. Meine Mutter hat immer erzählt, dass ich als kleines Kind die erste von uns Geschwistern war, die mit den neuen Nachbarskindern gespielt hat. Wenn man älter wird, wird man anders. Ich komme noch heute schnell in Kontakt mit anderen Menschen. Aber es fällt mir schwer, Nähe aufzubauen. Engeren Kontakt zu knüpfen, die Initiative zu ergreifen. Aber hier in der neuen Stadt wollte ich genau das machen: endlich wieder alte Hobbies wiederbeleben, so neue Menschen kennenlernen und nicht mehr allein sein. Menschen außerhalb der Arbeit. Ich kann nur sagen, es ist schwer. Da hilft auch nicht der große Bruder der Suchmaschinen. Einen Anlauf habe ich nun unternommen. Ich hoffe, es klappt. Ich werde versuchen, mich in einem Kurs für Modern Dance anzumelden. Chor und Theatergruppe hat erst einmal nicht geklappt.

Wenn man nicht mehr studiert oder noch ein Kind ist, dann ergibt sich abgesehen vom Arbeitsplatz nicht automatisch ein Lebenskreis, in dem man sich bewegen kann. Es gibt keine Studiengruppen, keine studentischen Theatergruppen, Chöre oder Sportgruppen. Es gibt keine Kinderchöre, Schulfreunde oder Nachbarskinder. Hat man keine eigene kleine Familie, die einen dank der Kinder in andere Lebenskreise führt, schottet man sich als Erwachsener ab. Die Nachbarn grüßen sich auf dem Flur, aber eigentlich will man nicht so genau wissen, was sie machen. Nachher fragen sie dich noch nach Zucker und Eiern. Oder beobachten gar, was du so treibst. Es bleibt die Volkshochschule, die unglaublich teure Kurse anbietet. Chöre oder andere kreative Gruppen sind meist nicht an Neulingen interessiert, schotten sich nach außen ab. Die Arbeitskollegen… wenn man Glück hat, wie ich, dann sind alle sehr nett. Aber eine gewisse Trennung zwischen Beruf und Freizeit ist auch nicht verkehrt.

Aber wen fragt man dann, wenn man auf einen Mittelaltermarkt nicht alleine gehen will? Wer begleitet dich ins Kino? Und mit wem tauschst du dich über deinen Lesestoff oder den anstrengenden Alltag aus?
Ich bin kein Mensch, der sich anderen aufdrängt. Ich bin freundlich, offen und immer da, wenn mich jemand braucht. Aber man muss mich schon fragen. Zu oft habe ich mich in der Vergangenheit schon auf Glatteis gelegt. Verletzende Erfahrungen gemacht. Deshalb frage ich Kollegen nicht direkt nach ihren Wochenendbeschäftigungen, aus Angst, zurückgewiesen zu werden.

Die Kartons einzupacken, Möbel an einen neuen Platz zu stellen und die neue Wohnung einzurichten, ist nicht schwer. Das ist der eigene geschützte Raum. Das wirklich Schwierige kommt danach: die Stadt zur eigenen zu machen, einen Lebensraum außerhalb der eigenen vier Wände zu schaffen. Ich hoffe, es wird mir gelingen.

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6 Kommentare:

Am/um 31. Mai 2014 um 11:05 , Blogger kaisu meinte...

Ich kenne einige deiner Punkte nur zu gut. Fremde Stadt, keine Freunde in unmittelbarer Nähe für spontane Ausflüge, nur der Job & die Kollegen.
Ich bin auch nicht gerade der Vereinstyp, habe aber durch Gleichgesinnte (Bücher, Asien, Filme, etc) Bekanntschaften schließen können. Es ist zwar nicht das Gleiche und fast keiner der Kontakte von damals besteht noch, aber es ist ein Anfang. Bin danach auch noch 3x umgezogen und fühle mich nun seit ca einem Jahr endlich angekommen.
Durch die Betriebswechsel habe ich auch viele Leute kennen gelernt und bisher ist aus jedem ein sehr guter Kontakt hängen geblieben und das weiß ich zu schätzen.
Inzwischen habe ich auch wieder einen festen Freundeskreis, auf den man sich verlassen kann!
Aber das war ein mühsamer Weg, mit vielen Enttäuschungen ...

Ich drück dir die Daumen, dass du dich schnell einfindest!
Nicht mit anderen vergleichen, sondern immer das Positive sehen und was daraus machen!
:)

 
Am/um 31. Mai 2014 um 12:22 , Blogger Literameer meinte...

Liebe Melissa,

ich habe beim lesen gerade irgendwie richtig Gänsehaut bekommen. Ich kenne es auch, neu zu sein und sich aus dem nichts heraus etwas aufbauen zu müssen. Und das ist gar nicht so einfach.

Die Erfahrung, dass VHS-Kurse recht teuer sind, hab ich auch gemacht. Ich habe dann nach Alternativen gesucht und bin beim örtlichen Tauschring fündig geworden.

Es gibt ja auch oft entsprechende Gruppen bei Facebook, wo sich Neulinge einer Stadt treffen und verabreden können. Aber ich empfinde das oft als sehr unpersönlich, wobei das sicher auch immer auf den Einzelfall ankommt.

Ich drücke dir die Daumen, dass es dir bald gelingt, dich einzuleben, neue Bekanntschaften zu schließen und die neue Stadt zu einem Stück Heimat und nicht nur einem Aufenthalts- und Arbeitsort wird.

LG
Julia

 
Am/um 31. Mai 2014 um 14:21 , Blogger Julia meinte...

Ich kann das gut verstehen! Mir ging und geht es teilweise immer noch genauso. Vor dem Studiumsbeginn hatte ich große Angst in der neuen Stadt keinen Anschluss zu finden und das war komplett unbegründet. Ohne größere Anstrengungen knüpft man überall Kontakte und baut sich schnell einen neuen Freundeskreis auf. Daher dachte ich dann auch nach dem Studium, dass sich das problemlos wiederholen lässt, aber es ist eindeutig viel schwieriger. Darauf war ich gar nicht vorbereitet. Und mir geht es da wie dir. Kontakte aufzubauen ist nicht das Schwierige, sondern die Nähe.

Ich wünsche dir, dass du das dieses Mal gut hinbekommst! :-)
Aber du scheinst das so aktiv anzugehen, dass ich mir eigentlich sicher bin, dass du schnell Anschluss in der neuen Stadt finden wirst. Nette Kollegen sind da ja schon einmal nicht schlecht!

 
Am/um 31. Mai 2014 um 17:01 , Blogger The Paper Art Shop meinte...

Der wichtigeste Satz für mich in Deinem schönen Text: "Ich komme noch heute schnell in Kontakt mit anderen Menschen. Aber es fällt mir schwer, Nähe aufzubauen". Genauso geht es mir.....Ich bin um ein paar Jahre älter als Du, habe auch schon einige Umzüge hinter mir, inkl. einem ganz "großen" ins Ausland. Es ist nie leicht, woanders wieder neu anzufangen, aber ich finde es im Nachhinein aus nicht falsch, wenn man zwar offen, aber gleichzeitig auch etwas verschlossen ist...

 
Am/um 31. Mai 2014 um 17:39 , Anonymous Anonym meinte...

Genau um solchen Dingen aus dem Weg zu gehen - mir würde es sehr ähnlich gehen wir dir -, habe ich versucht immer im selben Dunstkreis zu bleiben. Und obwohl ich einen Beruf gewählt habe, der mich sonst wohin verschlagen könnte - zugegeben "sonst wohin" wäre immer noch dasselbe Bundesland... - habe ich Arbeitslosigkeit riskiert, aber dennoch einen Job 10 min vom Wohnort entfernt gefunden. Auch wenn ich manchmal mit dem Standort hardere, schätze ich mich glücklich, dass ich keinen solchen Neuanfang machen musste, wie du.
LG horrorbiene

 
Am/um 1. Juni 2014 um 17:52 , Blogger Jo meinte...

Liebe Melissa
in gewisser Weise geht es mir im Moment ähnlich. Der Umzug war zwar schon im März/April und ich bin auch nicht in eine komplett neue Stadt gezogen, aber wirkliche "eigene" Kontakte geknüpft habe ich auch nicht.
Es ist ja auch unglaublich bequem auf den Freundeskreis meines Freundes (der hier schließlich schon sein ganzes Leben lebt) zurückgreifen zu können, aber dann gibt es Momente, da möchte ich etwas mit "meinen" Freunden machen, von "meinen" Freunden erzählen... und dann fällt mir auf, dass es doch meist "seine" Freunde sind mit denen wir unterwegs sind.
Durch Erfahrungen in der Vergangenheit (über)vorsichtig geworden bin ich auch nicht gerade der Typ Mensch, der einfach so neue Leute kennen lernt. Bei solchen Gelegenheiten verkrieche ich mich dann doch ganz gerne, aber von alleine kommt eben ab einem bestimmten Alter keiner mehr, der einfach so sagt "Ich will jetzt dein Freund sein".

Ich drücke uns allen die Daumen, dass wir in diesem Punkt etwas mutiger werden.
Liebe Grüße
Johanna

 

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