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[Adventskalender] 21. Dezember

Eulenpost(s): [Adventskalender] 21. Dezember

Mittwoch, 21. Dezember 2011

[Adventskalender] 21. Dezember

Ich hab mal versucht, ein Pfefferkuchenhaus zu zeichnen. Naja, seht selbst...

Gastfreundschaft

Tief im Wald, wo sich Fuchs und Hase im Mondschein begegnen, steht mitten auf einer einsamen Lichtung eine knorrige Eiche im herbstlichen Schmuck ihrer goldenen Blätter. Gar mancher Sturm hat sie gezaust und manch kalter Winter ihre Rinde zerfurcht. Aber ihre  Wurzeln sind fest mit dem Boden verwachsen, so daß sie jedem Wetter trotzt. Ihr Stamm ist so dick, daß sich selbst das größte Tier des Waldes  dahinter verbergen könnte. Niemand im Walde kennt das wahre Alter des Baumes, und obgleich weit und breit keiner mehr ist, der Kindheit und Jugend mit ihr geteilt hätte, fühlt sich die alte Eiche nicht einsam, denn sie bietet vielen Tieren Schutz und ist deshalb nie allein. Unter ihren Wurzeln hat eine Feldmaus ihre Wohnung eingerichtet, und am Fuße des Stammes schleppt ein fleißiges Ameisenvolk kleine Zweige, Rinde und trockene Tannennadeln zusammen, um ihre ohnehin recht hohe Burg mit einem Turm zu krönen. Ein Specht findet in der rissigen Rinde manchen Leckerbissen, und ein dürrer Ast bietet ihm Gelegenheit, seine Zimmermannskunst zu beweisen. Im Schatten des riesigen Blätterdachs jagen sich zwei übermütige Eichhörnchen, und aus einer Höhle, die das Alter in den knorrigen Stamm gegraben hat, blinzelt verschlafen eine Eule. Ganz oben aber, wo sich die dünnsten Zweige der Sonne entgegenrecken, ist ein Schwarm Vögel eingefallen, der sich mit lautem Gezwitscher zur großen Reise rüstet. So müsst ihr euch den Ort vorstellen, an dem folgendes geschah.


       Fern im Norden hatte der  Winter vorzeitig Einzug gehalten mit viel Schnee und eisiger Kälte. Den Tieren, die dort lebten, war nicht genügend Zeit geblieben, sich auf die kalte Jahreszeit vorzubereiten. Sie mußten sich auf den Weg machen und wärmere Gefilde aufsuchen, um den Winter zu überleben. So erreichte eine kleine Schar hungriger und erschöpfter Flüchtlinge auch die Lichtung, auf der die alte Eiche steht. Ein Maulwurf, eine Igelfamilie mit sechs Kindern und zwei Kaninchen, erschöpft von der langen Wanderung, baten um Obdach. Die einheimischen Tiere betrachteten die Lichtung als ihr alleiniges Eigentum und waren über die Bitte der Ankömmlinge nicht erfreut. Sie fürchteten, ihre Vorräte mit ihnen teilen zu müssen. Um vor sich selbst nicht als hartherzig zu gelten, jammerten sie und klagten, sie hätten selbst nichts zu beißen und ihre Quartiere seien für Schlafgäste zu eng.
       Die Eiche schüttelte ärgerlich ihre Blätter, und der Eule in ihrer Höhle hoch oben im Baum sträubte sich das Gefieder. „Ihr glaubt wohl, ich schlafe den ganzen Tag?“, rief sie erbost hinunter, „ich habe sehr wohl gesehen, was ihr in eurer Gier zusammengerafft habt. Ihr werdet euch den Magen verderben, wenn ihr eure Vorräte allein verschlingt“. Die Vögel, denen der Streit da unten die Sprache verschlug, dachten an die Gastfreundschaft, die sie auf ihren Reisen erlebt hatten. Sie hatten viel von der Welt gesehen und wußten, daß gerade die Ärmsten bereitwillig ihr letztes Stück Brot mit den Hungernden teilen. Nachdem sie sich ein wenig von ihrem Erstaunen über die Hartherzigkeit und Selbstgerechtigkeit ihrer Nachbarn erholt hatten, erzählten sie von den Strapazen, die sie auf ihrem Zug nach Süden erdulden und vom Durst, den sie beim Überqueren der Wüste leiden mußten. Noch nie hatten sie die dort einheimischen Tiere von der Wasserstelle gewiesen, wenn sie sich erschöpft niederließen, um sich zu stärken. Die Vögel berichteten noch über viele spannende Erlebnisse und interessante Begegnungen in fernen Ländern. Die anderen Tiere, die noch nie darüber nachgedacht hatten, wie es ihnen in der Fremde ergehen könnte, hörten aufmerksam zu. Sie schämten sich ihrer kleinlichen Eigensucht und hießen die neuen Nachbarn herzlich willkommen. 
Quelle: http://www.e-stories.de/view-kurzgeschichten.phtml?20603

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